Mittwoch, 3. Juni 2009

 
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Budapest 1078. Die dunklen Mauern der Musikakademie, von den Jahren geglättet, bedeckte eine düstere Schmutzschicht; doch hinter den Türen schimmerte goldenes Licht, das Ildikòs Blick sofort gefesselt hatte. Und kam war sie eingetreten, verdichtete sich das Licht wie Honig, und das kleine Mädchen betrat das Land der Fabeln und Wunder. Mosaiksteinchen leuchteten in tiefem, irisierendem Blau, in Grün- und Goldfärbungen. Riesige Wandbilder traten aus ihren geschnitzten Rahmen hervor. Sie erzählten von Königen und Göttern, von Feen und Pharaonen. Die in die Wände eingefügten vergoldeten und wundervoll geschnitzten Halbsäulen spiegelten sich in dem polierten Fussboden. Diese Märchenwelt betrat Ildikò nie ohne eine Art glücklicher Erwartung, wobei ihr verschmitztes Gesicht eine anerkennende Bewunderung ausdrückte, die ihre Eltern sehr belustigte. Ildikò betrachtete alles sehr genau, während sie die Hände auf dem Rücken hielt-eine Gewohnheit, die ihr schon seit frühester Kindheit eigen war. "Schön flüsterte Ildikò immer wieder, im Ton einer ernsten Befriedigung. "Wirklich sehr schön." Doch ihre Worte sagten nicht viel aus. Sie tauchte in die Bilderwelt ein, wusste aber nicht, welche Empfindungen sie hatte, ob sie flog oder träumte. Sie war schlichtweg verzaubert. Und in ihrem Kopf hörte sie unentwegt Musik.

Federica de Cesco, Das Vermächtnis des Adlers

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